Venedig ist kein stinkendes Drecksloch (Ein Reisebericht / Tag 1)
Montag
Inspiriert durch das Eisstöckchen, musste ich unbedingt mein Lieblingseis essen - in meinem Lieblingseisland. Ich also nach Venedig. ;-)
(Für diejenigen, die noch nicht in Venedig waren, dies aber planen, nenne ich im Folgenden ein paar aktuelle Preise.)
Diese Zeilen schreibe ich während einer ersten längeren Verschnaufpause an Bord eines Vaporetto von der Piazzale Roma nach Lido, mit Hilfe des Smartphones meines Vertrauens.
Spontanes Zwischenfazit nach sechs Stunden: Venedig hat mich schwer enttäuscht! Es weigert sich, die Vorurteile zu bestätigen, die ich im vergangenen Februar während meiner allerersten Stippvisite in der Lagunenstadt liebgewonnen habe!
Dabei hätte dieser Blog-Eintrag so schön sein können. Aufgrund der Erzählungen von Freunden, die Venedig schon mal im Sommer erlebt haben, und aufgrund von Berichten in Reiseführern dachte ich mir schon Tage vor der aktuellen Reise eine markige Überschrift aus:
"Venedig ist ein stinkendes Drecksloch!"
Dummerweise lief alles ganz anders. Obwohl ich alles so gut vorbereitet hatte: Sicherheitshalber hatte ich ein Hotel auf der Strandinsel Lido gebucht, damit ich - sollte mich "Downtown Venedig" wieder so enttäuschen wie beim letzten (=ersten) Mal - die Städtereise kurzfristig in einen Strandurlaub ummünzen könnte.
Um das Notwendigste in Venedig ganz schnell abzuarbeiten, fahre ich vom Flughafen nicht per Schiff direkt zum Hotel nach Lido, sondern erst mal per Bus (ACTV, 2 Euro) zur Piazzale Roma. Einem der Palazzi, die ich beim letzten Mal wegen meines Frusts über Venedig links liegen ließ, will ich zumindest noch mal eine kurze Stippvisite abstatten.
Bei der Ankunft an der Piazzale Roma sind alle Vorbehalte wie weggeblasen: Ich hatte daheim tagelang Schmuddelwetter mit durchschnittlich 15 Grad durchlitten und steige bei rund 30 Grad aus dem Bus - und stürze sofort mit allem Gepäck zum nächstbesten Kanal, der ein bisschen Disneyland-Anmutung hat.
Bei solch starken Bildern brauche ich keine Akklimatisierungsphase - beim Blick aufs grüne Lagunenwasser, die Boote, die putzigen Fußgängerbrücken bin ich sofort in einer anderen Welt. Das ist Urlaub pur; egal, wie kurz.
Als nächstes parke ich meinen Rucksack (3,50 Euro) und nehme ein Schiff gen Markusplatz. Darauf hat sich leider eine quer übers Boot krakeelende Singegruppe aus dem Süddeutschen breitgemacht. Nach zehn Minuten nervöser Vorbereitung tut sie endlich das, wofür sie an Bord gekommen ist: Sie lobpreist mit einem holprigen Kanon einen "Herrn", der mir nicht bekannt ist. Die meisten Vaporetto-Insaßen verstehen nur Stazione, da sich der Mutigste der Truppe, der vorher ausgeguckt worden war, trotz guten (und, das sage ich leidgeprüft, lautstarken) Zuredens doch nicht traut, das deutsche Gesinge vorher auf Englisch zu erklären. Zum Glück ist der Spuk der gehemmten Aushilfsmissionare schnell vorbei.
Da ich Hunger habe und von einem netten Lokal gelesen habe, in dem auch Eingeborene gern verkehren (vor allem Gondolieri), steige ich am Markusplatz aus. Meine planlos herumirrenden (und vor allem mitten in engen Gassen planlos herumstehenden und den Fußgängerfluss aufhaltenden) Touristenkollegen gehen mir schnell auf die Nerven. Ein erster Weißwein vom Fass ist angesagt (der Weißweinhahn befindet sich an der Zapfanlage gleich neben dem Colahahn), und ich stapfe gestärkt weiter.
Was mir beim letzten Mal schon gefiel und selbst jetzt in der Hochsaison für Freude sorgt: Wenn man sich aus den Menschenwellen ausklinkt, die von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten wogen, kann man viele schöne Entdeckungen machen: malerische Gässchen, einsame Innenhöfe, Minikanäle mit singenden Gondolieri. Angenehme Oasen inmitten des Trubels.
Das Lokal finde ich nicht, macht nix. Ich lasse mich einfach treiben und genieße die einzigartige Stadt. Es fängt an zu regnen (sollte laut Wetter.de eigentlich nicht passieren - Scheiß-Internet! ;-) ), also flüchte ich per Schiff gen Ca' Rezzonico, einer der prächtigsten Paläste am Canale Grande, in dem ein Kunstmuseum mit Möbeln und Gemälden aus dem 18. Jahrhundert untergebracht ist.
In der Nähe liegt das Studentenviertel Dorsoduro, Zeit für ein paar Verschnaufweine - diesmal nicht vom Fass.
Zum abendlichen Essen und Trinken (nicht notwendigerweise in der Reihenfolge) geht's in einen Laden namens Do Mori, der schon beim letzten Mal mein Stammlokal geworden wäre, wenn ich mehr als zwei Tage in Venedig verbracht hätte. Es ist ein schummriges Stehlokal, in dem sich morgens ab 8.30 Uhr u. a. die Händler des nahegelegenen Rialto-Markts einen Happen schnappen (dem spanischen Tapas-Konzept nicht unähnlich) und einen mehr oder weniger edlen Tropfen schlürfen. Vier leckere Weine (ab 2 Euro) und sieben, acht Italo-Tapas später (zum Glück macht Do Mori um 20.30 Uhr zu) hole ich mein Gepäck an der Piazzale Roma ab und schippere endlich weinbeschwingt und blogtippend nach Lido.
Dort habe ich ein Zimmer im selben Hotel wie beim letzten Mal: eine schnuckelige Herberge mit Holzbalken an den Zimmerdecken (wie in Valencia, Nella! ;-) ), etwa 15 Fußminuten von der Vaporetto-Anlegestelle entfernt, und etwa fünf Minuten vom Strand.
Es verspricht eine unruhige Nacht zu werden. Sturm ist aufgezogen, und überall im Hotel knallen lose Fensterläden gegen die Hauswand.
Da ich nach ca. vier Stunden Schlaf gegen sieben Uhr aufgestanden (weit vor meiner normalen Zeit) und daher ein klein wenig müde bin, entscheide ich mich gegen den ursprünglichen Plan, vom Hotel aus noch mal gen Dorsoduro zu düsen.
Stattdessen stürze ich mich ins pulsierende Nachtleben von Lido und betreibe Bar-Hopping, Zwei Läden bleiben in Erinnerung: In einem (Star People) hätte J. bei ihrer Suche nach dem perfekten Bier -zig Varianten ausprobieren können (inklusive leckeres Augustiner vom Fass, allerdings für 5,70 Euro pro Halbes - plus diverse Biere von belgischen Trappistenmönchen). Im anderen lieferten die unfreundlichsten Asiatinnen, die mir je auf diesem Planeten begegnet sind, ein Lehrbeispiel dafür, wie man als Gastronom(in) mit zur Schau getragener Gleichgültigkeit dafür Sorge trägt, dass ein Erstlingskunde definitiv nie wiederkehrt. Hier sollten Schulungsvideos für die Gastroszene gedreht werden (als "Vorher"-Beispiel in einem "Vorher-/Nachher"-Szenario).
In Lido stürmt's die ganze Nacht lang, und überall auf den Straßen und Bürgersteigen liegen abgebrochene Äste herum. Mir schwant für den morgigen Badetag nix Gutes.
Teil 2 (Dienstag)
Inspiriert durch das Eisstöckchen, musste ich unbedingt mein Lieblingseis essen - in meinem Lieblingseisland. Ich also nach Venedig. ;-)
(Für diejenigen, die noch nicht in Venedig waren, dies aber planen, nenne ich im Folgenden ein paar aktuelle Preise.)
Diese Zeilen schreibe ich während einer ersten längeren Verschnaufpause an Bord eines Vaporetto von der Piazzale Roma nach Lido, mit Hilfe des Smartphones meines Vertrauens.
Spontanes Zwischenfazit nach sechs Stunden: Venedig hat mich schwer enttäuscht! Es weigert sich, die Vorurteile zu bestätigen, die ich im vergangenen Februar während meiner allerersten Stippvisite in der Lagunenstadt liebgewonnen habe!
Dabei hätte dieser Blog-Eintrag so schön sein können. Aufgrund der Erzählungen von Freunden, die Venedig schon mal im Sommer erlebt haben, und aufgrund von Berichten in Reiseführern dachte ich mir schon Tage vor der aktuellen Reise eine markige Überschrift aus:
"Venedig ist ein stinkendes Drecksloch!"
Dummerweise lief alles ganz anders. Obwohl ich alles so gut vorbereitet hatte: Sicherheitshalber hatte ich ein Hotel auf der Strandinsel Lido gebucht, damit ich - sollte mich "Downtown Venedig" wieder so enttäuschen wie beim letzten (=ersten) Mal - die Städtereise kurzfristig in einen Strandurlaub ummünzen könnte.
Um das Notwendigste in Venedig ganz schnell abzuarbeiten, fahre ich vom Flughafen nicht per Schiff direkt zum Hotel nach Lido, sondern erst mal per Bus (ACTV, 2 Euro) zur Piazzale Roma. Einem der Palazzi, die ich beim letzten Mal wegen meines Frusts über Venedig links liegen ließ, will ich zumindest noch mal eine kurze Stippvisite abstatten.
Bei der Ankunft an der Piazzale Roma sind alle Vorbehalte wie weggeblasen: Ich hatte daheim tagelang Schmuddelwetter mit durchschnittlich 15 Grad durchlitten und steige bei rund 30 Grad aus dem Bus - und stürze sofort mit allem Gepäck zum nächstbesten Kanal, der ein bisschen Disneyland-Anmutung hat.
Bei solch starken Bildern brauche ich keine Akklimatisierungsphase - beim Blick aufs grüne Lagunenwasser, die Boote, die putzigen Fußgängerbrücken bin ich sofort in einer anderen Welt. Das ist Urlaub pur; egal, wie kurz.
Als nächstes parke ich meinen Rucksack (3,50 Euro) und nehme ein Schiff gen Markusplatz. Darauf hat sich leider eine quer übers Boot krakeelende Singegruppe aus dem Süddeutschen breitgemacht. Nach zehn Minuten nervöser Vorbereitung tut sie endlich das, wofür sie an Bord gekommen ist: Sie lobpreist mit einem holprigen Kanon einen "Herrn", der mir nicht bekannt ist. Die meisten Vaporetto-Insaßen verstehen nur Stazione, da sich der Mutigste der Truppe, der vorher ausgeguckt worden war, trotz guten (und, das sage ich leidgeprüft, lautstarken) Zuredens doch nicht traut, das deutsche Gesinge vorher auf Englisch zu erklären. Zum Glück ist der Spuk der gehemmten Aushilfsmissionare schnell vorbei.
Da ich Hunger habe und von einem netten Lokal gelesen habe, in dem auch Eingeborene gern verkehren (vor allem Gondolieri), steige ich am Markusplatz aus. Meine planlos herumirrenden (und vor allem mitten in engen Gassen planlos herumstehenden und den Fußgängerfluss aufhaltenden) Touristenkollegen gehen mir schnell auf die Nerven. Ein erster Weißwein vom Fass ist angesagt (der Weißweinhahn befindet sich an der Zapfanlage gleich neben dem Colahahn), und ich stapfe gestärkt weiter.
Was mir beim letzten Mal schon gefiel und selbst jetzt in der Hochsaison für Freude sorgt: Wenn man sich aus den Menschenwellen ausklinkt, die von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten wogen, kann man viele schöne Entdeckungen machen: malerische Gässchen, einsame Innenhöfe, Minikanäle mit singenden Gondolieri. Angenehme Oasen inmitten des Trubels.
Das Lokal finde ich nicht, macht nix. Ich lasse mich einfach treiben und genieße die einzigartige Stadt. Es fängt an zu regnen (sollte laut Wetter.de eigentlich nicht passieren - Scheiß-Internet! ;-) ), also flüchte ich per Schiff gen Ca' Rezzonico, einer der prächtigsten Paläste am Canale Grande, in dem ein Kunstmuseum mit Möbeln und Gemälden aus dem 18. Jahrhundert untergebracht ist.
In der Nähe liegt das Studentenviertel Dorsoduro, Zeit für ein paar Verschnaufweine - diesmal nicht vom Fass.
Zum abendlichen Essen und Trinken (nicht notwendigerweise in der Reihenfolge) geht's in einen Laden namens Do Mori, der schon beim letzten Mal mein Stammlokal geworden wäre, wenn ich mehr als zwei Tage in Venedig verbracht hätte. Es ist ein schummriges Stehlokal, in dem sich morgens ab 8.30 Uhr u. a. die Händler des nahegelegenen Rialto-Markts einen Happen schnappen (dem spanischen Tapas-Konzept nicht unähnlich) und einen mehr oder weniger edlen Tropfen schlürfen. Vier leckere Weine (ab 2 Euro) und sieben, acht Italo-Tapas später (zum Glück macht Do Mori um 20.30 Uhr zu) hole ich mein Gepäck an der Piazzale Roma ab und schippere endlich weinbeschwingt und blogtippend nach Lido.
Dort habe ich ein Zimmer im selben Hotel wie beim letzten Mal: eine schnuckelige Herberge mit Holzbalken an den Zimmerdecken (wie in Valencia, Nella! ;-) ), etwa 15 Fußminuten von der Vaporetto-Anlegestelle entfernt, und etwa fünf Minuten vom Strand.
Es verspricht eine unruhige Nacht zu werden. Sturm ist aufgezogen, und überall im Hotel knallen lose Fensterläden gegen die Hauswand.
Da ich nach ca. vier Stunden Schlaf gegen sieben Uhr aufgestanden (weit vor meiner normalen Zeit) und daher ein klein wenig müde bin, entscheide ich mich gegen den ursprünglichen Plan, vom Hotel aus noch mal gen Dorsoduro zu düsen.
Stattdessen stürze ich mich ins pulsierende Nachtleben von Lido und betreibe Bar-Hopping, Zwei Läden bleiben in Erinnerung: In einem (Star People) hätte J. bei ihrer Suche nach dem perfekten Bier -zig Varianten ausprobieren können (inklusive leckeres Augustiner vom Fass, allerdings für 5,70 Euro pro Halbes - plus diverse Biere von belgischen Trappistenmönchen). Im anderen lieferten die unfreundlichsten Asiatinnen, die mir je auf diesem Planeten begegnet sind, ein Lehrbeispiel dafür, wie man als Gastronom(in) mit zur Schau getragener Gleichgültigkeit dafür Sorge trägt, dass ein Erstlingskunde definitiv nie wiederkehrt. Hier sollten Schulungsvideos für die Gastroszene gedreht werden (als "Vorher"-Beispiel in einem "Vorher-/Nachher"-Szenario).
In Lido stürmt's die ganze Nacht lang, und überall auf den Straßen und Bürgersteigen liegen abgebrochene Äste herum. Mir schwant für den morgigen Badetag nix Gutes.
Teil 2 (Dienstag)
DrYes - 30. Jul, 23:59
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